Waldbaden – oder: Warum wir neue Wege finden müssen, wie wir mit unseren Wäldern arbeiten

Schon heute sind rund 30% der deutschen Waldflächen bedroht. Dürre, Borkenkäfer, Hitzeperioden oder schwere Stürme machen den Wurzelgewächsen zu schaffen. Und das zu einer Zeit, in der wir wissen, dass Bäume unsere Klimaschützer Nummer Eins sind. Wir müssen neue Wege denken, um den Wald zu nutzen. Warum die achtsamkeitsstärkende Praxis des Waldbadens auch Wälderschutz bedeutet und weshalb wir alle öfter in die Natur gehen sollten.


Shinrin Yoku. Das ist japanisch und bedeutet sinngemäß in etwa „Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes“. Waldbaden hat also wenig mit Badengehen oder einem Sommertag am See zu tun. Vielmehr ist es eine meditative, beruhigende und entspannende Praxis im Wald. Atmen, die Sinne aktivieren, entschleunigen. Mal wieder Erde zwischen den Händen spüren, an Zapfen riechen, dem Rauschen des Windes in den Blättern lauschen oder sich an einen Baum lehnen.

Im letzten Sommer habe ich mit meiner Ausbildung zur Waldbaden-Leiterin begonnen und werde in diesem Sommer noch weiter zur Waldtherapeutin ausgebildet. Vitamin N. Der Wald als Medizin. Das klingt vielleicht etwas pathetisch – und zeitgleich gibt es viele Studien und Genesungsgeschichten darüber, wie und warum der Wald einen positiven Einfluss auf unser Immun-, Hormon- und Nervensystem hat.

Lara Keuthen über Waldbaden – oder: Warum wir neue Wege finden müssen, wie wir mit unseren Wäldern arbeiten / Foto: Lara Keuthe / GROSS∆RTIG

Waldbaden – ein echter Gesundheits-Booster

Als kleines Mädchen bin ich am Waldesrand groß geworden. Wir haben jeden Tag zwischen alten Eichen und auf grünen Wiesen gespielt. Höhlen gebaut, Käfer beobachtet, Steine gesammelt. Irgendwann, als große Lara, zog es mich in die Stadt, in die Agenturwelt. Und fast in ein Burn-Out. Erst als ich kündigte und mich selbstständig machte, kehrte ich dem trubeligen Stadtleben immer öfter den Rücken zu und kam zurück in die Natur. Ich fühlte am eigenen Körper, was es bedeutete, in der Natur wirklich runterzufahren.

Wir Stadtmenschen stehen ständig unter Strom. Selbst wenn wir entspannt in der U-Bahn einen Podcast hören, wirbeln um uns herum Lichter, Geräusche, Gerüche. Unser System verarbeitet permanent. Das tut es in der Natur auch – jedoch auf eine ganz andere, sanfte Art und Weise. Die Natur, der Wald, gibt unserem Kopf und unserem Herz Raum, herunterzufahren.

Lara Keuthen über Waldbaden – oder: Warum wir neue Wege finden müssen, wie wir mit unseren Wäldern arbeiten / Foto: Lara Keuthe / GROSS∆RTIG

Durch Waldbaden die Gesundheit fördern

Bereits zwei Stunden im Wald bewirken, dass die Aktivität unseres Immunsystems gesteigert wird. Unsere natürlichen Abwehrzellen vermehren sich und helfen, uns von Bakterien, Viren und Entzündungen zu befreien. Diesen Effekt begünstigen bioaktive Pflanzenstoffe in der Luft, auch Phytonzide oder Terpene genannt. Diese ätherischen Duftstoffe senden Bäume aus, um untereinander zu kommunizieren oder Fressfeinde abzuhalten. Unser Immunsystem steht über unseren bewussten Atem in direktem Kontakt mit den Terpenen. Leider weiß man bis heute nicht, wie es genau passiert – aber viele, unabhängige Studien zeigen, dass sich die Immunaktivität nach rund zwei Stunden merklich steigert. Der Effekt hält bis zu einer Woche an.

Doch im Wald baden hat noch mehr gesundheitsfördernde Effekte: Unser Stresshormon Cortisol-Level senkt sich, unser Puls wird langsamer, der Blutdruck sinkt. Die Farben Grün und Braun wirken harmonisierend auf unseren Geist. Der sanfte Waldboden schont unsere Gelenke und unseren Rücken. Und das, ohne eine Pille zu schlucken oder zum neusten Fitness-Kurs zu rennen.

Grüner Balsam für die gestresste Seele

Vielleicht fragst du dich jetzt, warum es Menschen gibt, die darin ausgebildet werden, mit anderen Menschen im Wald zu baden. Du kannst doch auch einfach alleine in den Wald gehen – oder? Das ist korrekt. Und ich bin dankbar über jeden Menschen, der lieber eine Runde durch den Wald anstatt über die städtische Shoppingmeile dreht. Zeitgleich hat ein angeleitetes Waldbad seine volle Berechtigung.

Wenn wir alleine in den Wald gehen, setzen sich die wenigsten Menschen seelenruhig mit geschlossenen Augen in Meditation. Sind wir mit Freund*innen unterwegs, wird gequatscht oder vielleicht doch eine Instagram Story gedreht. Bei meinen Waldbädern laufen wir in Schlender-Tempo. Und es gibt eine Handy-Verbots-Bitte. Es fällt leichter, sich in Stille oder mit geschlossenen Augen zurückzuziehen, wenn eine Person dabei ist, die dich im Blick behält. Bei einem Waldbad darfst du dich einfach neugierig darauf einlassen, was passiert. Du musst nichts planen, nichts beachten, sondern darfst die kreativen, sinnhaften, ruhebringenden und aktivierenden Übungen einfach genießen.

Wir schützen, was wir lieben!

Wie zu Anfang beschrieben, geht es den deutschen Wäldern immer schlechter. Klassische Holzwirtschaft wird langfristig weniger oder in manchen Gebieten vielleicht sogar gar nicht mehr möglich sein. Den Wald als therapeutischen und gesundheitsfördernden Raum zu nutzen, ist meiner Meinung nach eine wundervolle Perspektive. Es gibt schon heute Organisationen, die an „Walderholung auf Rezept“ arbeiten. Denn das Erholen im Wald unter Anleitung ist für jedes Alter, jedes Fitnesslevel und jeden Gemütszustand geeignet.

Was ich am Waldbaden am meisten liebe, ist der Fakt, dass wir uns zurück auf unsere Wurzeln besinnen. Eins werden mit der Natur. Uns vielleicht sogar im Herzen daran erinnern, dass wir alle aus der Natur stammen. Waldbaden ist für mich deshalb auch immer ein Stück Wälderschutz. Wenn du an einer großen Kiefer lehnst, den warmen, erdigen Boden unter dir spürst und wie sehr du in diesem Moment vom gesamten Wald gehalten wirst, dann fühlst du auch, dass wir dieses großartige Ökosystem schützen müssen! Also ab in den Wald mit dir – und umarme ein paar Bäume. Ich verspreche dir, danach fühlst du dich wirklich gut.

Unter www.mimameid-waldbaden.de findest du die Termine meiner regelmäßig stattfindenden Waldbäder, die ich in Hamburg gebe. Es warten dieses Jahr noch einige, tolle Events – ich freue mich auf dich!

Fotos: Roman Dachsel


Lara leitet die Redaktion des Onlinemagazins Peppermynta. Wenn sie nicht fleißig in die Tasten haut, findest du sie bei einer ihrer Waldbaden-Kurse oder auf der Yogamatte. Lara liegt Wälderschutz am Herzen – ebenso, dass wir Menschen achtsamer und wertschätzender mit der Natur umgehen.

Lara Keuthen / Peppermynta / Artikel über das Waldbaden / Foto: Roman Dachsel / GROSS∆RTIG
© Roman Dachsel

Schreibe einen Kommentar