Der 24. April 2013 markiert eine Zäsur. An diesem Tag ließen nach offiziellen Angaben 1.127 Menschen ihr Leben. In einem Fabrikgebäude in Dhaka, der Hauptstadt der Textilmetropole Bangladeshs. Am Rana Plaza. Dort, im Herz der Fast Fashion Produktion, mussten Arbeiterinnen und Arbeiter sterben, da zu viele Menschen in einem maroden Gebäude zu indiskutablen Bedingungen und Löhnen für unsere Kleidungsindustrie arbeiteten. Alle großen Modeanbieter und -discounter ließen dort produzieren, was später in unseren Regalen für 2,99 EUR oder auch gerne mal 24,99 EUR käuflich zu erwerben ist und teilweise nur einmal angezogen wird. Einweg- und Wegwerfware par excellence, mit dem Malus einer blutigen und staubigen Katastrophe versehen. Seit diesem Unglückstag und den darauf folgenden verhaltenen Reaktionen der Fast Fashion Industrie begehen wir den Fashion Revolution Day.
Fashion Revolution Day – ein Einblick in das Färberviertel Hazaribagh in Dhaka, Bangladesh
Über das Unglück ist viel bekannt, auch die Ausflüchte der großen Konzerne wie H&M im Nachhinein. Doch wie sieht es ganz aktuell in Dhaka aus? Bangladesh ist weiterhin eines der wichtigsten Länder für die globale Textilindustrie. Doch in den unzähligen Fabriken wird nicht nur 16 bis 20 Stunden am Tag genäht, sondern auch gefärbt. In Hazaribagh. Dort sind etwas 95 Prozent aller registrierten Färbereien des Landes lokalisiert – und dabei sprechen wir lediglich über ein gewöhnliches Nachbarschaftsviertel. In dieses hat es meinen Freund Gerrit verschlagen, der in Bangladesh arbeitet. Das Gerbereiviertel ist einer der am schlimmsten verseuchtesten Orte der Welt. „Nach kurzer Zeit“, so Gerrit bei seinem Gang durch das Viertel, „fällt das Atmen schwer, da die Luft voll mit Chemie schwebt“. Zwar gäbe es von Seiten der Regierung Bestrebungen, die Färbereien in ein neues Industrieviertel umziehen zu lassen. Aber auch in Dhaka mahlen die Mühlen der Verwaltung langsam, Korruption und grobe Unfähigkeit tun ihr übriges.
Noch Fragen, warum ich Fast Fashion Scheiße finde? Ich hoffe nicht. Die Fotos schockieren. Die Fotos zeigen eine sehr hässliche Realität, in der Menschen mit bloßen Händen mit Chemie getränkten Stoffen hantieren, auf verseuchter Erde sitzen, weit mehr als 12 Stunden am Tag die giftigen Dämpfe einatmen und z. T. direkt neben den Müllbergen schlafen. Tag für Tag. Für uns und unsere Konsumgesellschaft, die sich ernsthaft über die monatlich erscheinenden H&M- und Zara-Kollektionen freut und applaudiert, wenn ein neuer Primark aufmacht. Für eine Gesellschaft, die sich noch nicht einmal auf einen Minimalkonsens einigen kann, wenn es darum geht, den Hunger in der Welt und die globale Kinderarbeit zu bekämpfen. Für eine Gesellschaft, die nicht erkennt, dass seit einigen Monaten nationale Entscheidungen weltweite Konsequenzen zur Folge haben und buchstäblich vor der eigenen Tür stehen.
Es ist Zeit, sich die richtigen Gedanken zu machen. Im täglichen Miteinander. In der Auseinandersetzung mit „dem Anderen“. Mit dem, was uns wichtig ist. Und dabei vielleicht auch endlich darüber, was wir konsumieren und wer die Menschen sind, die das, was wir tagtäglich auf der Haut tragen, hergestellt haben. Deswegen fragt euch und eure liebsten Marken nicht nur heute: #whomademyclothes?
Text: Alf-Tobias Zahn
Fotos: Gerrit Qualit
2 Kommentare
KommentierenDie Bilder und die Angaben deines Freundes sind schockierend und machen sehr betroffen. Wenn ich daran denke, wie viele Jahre ich diesen Wahnsinn sehenden Auges unterstützt habe, bekomme ich noch immer ein richtig schlechtes Gewissen. Zu Recht. Ich hoffe so sehr, dass viel mehr Menschen endlich aufwachen, aber es geht alles so langsam…
Ich finde es gut, dass hier in diesem Post das Färben im Zentrum steht. Viele Medien assoziieren mit den ausbeuterischen und gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen ja oft vor allem die Näher und es kommt zu kurz, dass in der langen textilen Produktionskette leider noch viel mehr Menschen leiden müssen.
[…] Fashion Revolution Day hat Alf-Tobias von Grossvrtig Bilder seines Freundes Gerrit veröffentlicht, der in Bangladesch arbeitet. Die Aufnahmen sind in […]