Am Vorabend meines 40sten Geburtstags sitze ich an diesem Blogpost, und vermutlich denkt ihr das selbe wie ich: WTF!?! Was ist mit dieser Welt passiert, die noch vor wenigen Jahren so in Ordnung schien (trügerisch, wissen wir jetzt)? Es braucht offensichtlich nur wenig, um alle Sicherheiten ins Wanken zu bringen, die bisher galten: höhere Temperaturen, einen Virus und einen Krieg in Europa. Betroffen sind wir von allem, wenn auch nicht zwangsläufig immer direkt. Auch wenn die schmelzenden Pole am anderen Ende der Welt sind und mich nicht jeden Tag anschreien, endlich etwas gegen die Klimaerwärmung zu tun; auch wenn mich selbst das Virus noch nicht erwischt hat; auch wenn wir keine direkte Grenze mit Ukraine haben – diese drei Katastrophen rattern unaufhörlich in meinem Kopf.
In diesem Kontext kaum zu glauben: die Hälfte meines bisherigen Lebens war das alles nicht auf der Tagesordnung. Klimawandel? Nischenthema. Gesundheitsthemen? Eher selten, und wenn, dann gleich über die harten Themen: Krebs, Alzheimer, Herzinfarkt. Mein Vater erlebte meinen 20sten Geburtstag wegen letzterem nicht. Krieg in Europa? Der Tschetschenien-Krieg Ende der 1990er Jahre war gefühlt sehr weit weg. 9/11 war ein krasser Einschnitt, aber auch hier: weit weg und ein Ding der USA. Uns ging es richtig gut, mir persönlich und auch ganz generell in Deutschland. Natürlich war damals nicht alles gut, beileibe nicht, aber es spielte keine Rolle. Nicht im Smalltalk am Gartenzaun, nicht in der Schule und im Studium, nicht im Freundeskreis. Wir hatten andere Themen, die aus heutiger Perspektive wirklich irrelevant waren.
Und jetzt? Die Klimakatastrophe schreitet voran und angesichts aktueller Krisen diskutieren wir doch wieder über längere Kohle- und Atomkraftlaufzeiten. Unter einer grünen Regierung. Dem schmelzenden Permafrost ist das herzlich egal. Dank COVID19 befinden wir uns im dritten Jahr einer globalen Pandemie, aus der wir – global betrachtet – noch lange nicht aussteigen können. Trotz Impfungen. Trotz Home-Office. Trotz Vorsicht untereinander. Die, so ehrlich muss man sein, aus erklärlichen Gründen schwindet. Wir sind müde von dieser Pandemie. Freedom Day bei einer 1.500er Inzidenz? Das kann Deutschland!
Und dann schlagen die Bomben ein.
Ich habe Geburtstag, aber es bedeutet nichts. Ich spende ein Walkie Talkie und Verbandszeug, aber es ist nur ein kleiner Tropfen auf blutende Wunden. Ich sehe die Menschen in den Nachrichten, die ihre Familien betrauern, und ich kann nichts machen. Ich sehe die Menschen in den Nachrichten, die in den Krieg ziehen, und ich kann nichts machen. Ich sehe die Politiker*innen, deren Hände scheinbar gebunden sind und nicht einschreiten, um einen 3. Weltkrieg zu verhindern, und ich kann nichts machen. Ohnmacht, so fühlst du dich also an. Jeden Tag, omnipräsent. Social Media War auf Telegram und Tiktok. Fake News auf allen Kanälen.
Kann ich, können wir dem entfliehen, diesem Nervenkrieg in meiner Inbox? Aktives Muten fällt mir da nur ein, das verschließen der Augen vor der täglichen Brutalität. Doch ist Hinsehen nicht eigentlich Pflicht, Teil der Anerkennung der Opfer, die gerade in Ukraine erbracht werden? Wenn ich schon nicht aktiv eingreife, ist dann nicht wenigstens das Aushalten der Bilder eine Pflicht der emotionalen Solidarität? Ich bin gespannt, wann mein Hirn wieder einmal eine Pause einlegt. Doch auch das: irrelevant. Eine Feuerpause wäre so viel wichtiger.
Солидарность для Украины
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1 Kommentar
KommentierenIch kann mich dir voll und ganz anschließen. Ich finde darüberhinaus die bewusst manipulative Beeinflussung durch Bilder und Kommunikation sehr bedrückend. Angst als Mittel des Krieges. Krieg bleibt ein Verbrechen! Trotz der zahlreichen Erklärungsversuche von Experten.