Der April war ein aufregender Monat im Sinne der fairen Mode. Nicht nur fand Anfang April in München die GreenstyleMUC statt, sondern natürlich gab es auch anlässlich des Jahrestages des Unglücks von Rana Plaza wieder viele Aktionen, inkl. der Großdemonstration THE MOVE der Fashion Revolution. Doch es gab noch zwei weitere Anlässe im zurückliegenden Monat, auf die ich heute eingehen möchte. Beide berühren die Frage, wie Unternehmen dazu gebracht werden können, bei ihren Produkten auf Fairness zu achten. Fairness gegenüber den Menschen, die die Produkte erarbeiten.
Tchibo Stakeholder Dialog „Fairness in unfairen Zeiten – oder das Ende der Nachhaltigkeit?“
Am 3. April lud Tchibo in die Alte Münze Berlin zu einem Stakeholder Dialog ein. Der Einladung folgten hochkarätige Gäste, allen voran der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Dr. Gerd Müller (CSU), Joschka Fischer (Bundesaußenminister a.D.), Dr. Frank Hoffer (Geschäftsführer der Initiative ACT für existenzsichernde Löhne), Jenny Holdcroft (Assistant General Secretary der Dachgewerkschaft IndustriALL) sowie Marie Nasemann (Fairknallt) und Nanda Bergstein (Tchibo). Sie alle diskutierten mit weiteren Gästen auf dem Podium in zwei Paneln über die Möglichkeiten, wie man in einer an sich recht unfairen Welt Fairness etablieren kann. Am 1. April hatte das Auswärtige Amt die nächste Phase bei der Umsetzung des „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP) eingeleitet. Geplant ist seit längerem die Durchführung einer Befragung, in der es um die Frage geht, ob für die Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte in der Wirtschaft eine Selbstverpflichtung von Unternehmen ausreicht oder nicht viel mehr eine gesetzlich vorgeschriebenen Sorgfaltspflicht implementiert werden müsste.
Minister Müller setzt dabei mit seinem nachhaltigen Textilbündnis – das Bündnis ist eine Partnerschaft von etwa 130 Unternehmen, Verbänden, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Standardorganisationen sowie der deutschen Bundesregierung – auf den Faktor „Freiwilligkeit“. In den Gesprächen versprühte er eine große Zuversicht, dass sich ausreichend Unternehmen freiwillig dem Bündnis anschließen und damit auch die noch nicht final definierten Richtlinien des Grünen Knopfes akzeptieren – einem neuen und vor der Einführung stehenden Meta-Siegels. Dieses soll Verbraucherinnen und Verbrauchern klar machen: Dieses Kleidungsstück kannst du bedenkenlos kaufen, da dies fair, sozial und aus biologischen Materialien hergestellt wurde.
Ziehen genügend Unternehmen mit, wenn sie dazu nicht gesetzlich gezwungen werden?
Diesen Ansatz zog Thomas Linemayr (Vorsitzender der Geschäftsführung von Tchibo) in Zweifel und merkte an: Tchibo gehe seit Jahren aus eigener Motivation in Sachen fairem Handel voran, doch nur wenige weitere Unternehmen zögen mit. Und das hat auf Dauer handfeste wirtschaftliche Nachteile, auch für ein Unternehmen wie Tchibo. Deswegen müsste eine gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen her, um sie nicht nur bei klaren Verstößen gegen die Menschenrechte gesetzlich belangen zu können. Damit lag er auf einer Linie mit Jenny Holdcroft, Marie Nasemann und auch weiteren Gästen im Publikum wie Pola Fendel (ehemals Kleiderei).
#fairbylaw-Petition für unternehmerische Sorgfaltspflicht per Gesetz!
Diesem Ziel hat sich auch Lisa Jaspers verschrieben. Ihrem Label Folkdays widmete ich 2014 einen meiner ersten Hausbesuche. Sie fordert bereits zum zweiten Mail im Rahmen einer Petition eine klare gesetzliche Regelung und legte in diesem Jahr noch einmal nach. Fast 150.000 Menschen hat sie bereits mit ihrer Petition auf change.org überzeugt, auch mich. Denn: Rana Plaza jährt sich bereits zum sechsten Mal, aber an den grundsätzlichen wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten, die eine solche Katastrophe hätten verhindern können, hat sich nahezu nichts geändert. Deswegen braucht Deutschland nach vielen Jahren der erfolglosen Versuche eine gesetzliche Regelung, die eine unternehmerische Sorgfaltspflicht international ausweitet. Immernoch ist es schwer, deutsche Unternehmen für unfaire Praktiken in ihren eigenen Lieferketten verantwortlich zu machen.
Kann Frankreich als gutes Beispiel für Deutschland dienen?
Die meisten europäischen Regierungen setzen lediglich auf freiwilliges unternehmerisches Engagement, auch die deutsche Regierung. Ein gutes Beispiel könnte hier Frankreich sein. Das neue französische Gesetz verpflichtet große französische Unternehmen dazu, mit angemessenen Maßnahmen Menschenrechts- und Umweltrisiken zu identifizieren und diesen vorzubeugen, sowie öffentlich Rechenschaft darüber abzulegen – inkl. einer Haftbarkeit bei Verstößen und konkreten Vergehen. Fast 150.000 Menschen teilen die Einschätzung, dass dies der richtige Weg nach Rana Plaza ist und haben die Petition bereits unterschreiben.
Zeig‘ auch Du öffentlich deine Meinung auf change.org.
Text: Alf-Tobias Zahn
Fotos: Tchibo / Lisa Jaspers