Zero Waste in ein Konzept, mit dem ich mich sehr anfreunden kann. Denn: Wenn bei einem neuen Produkt kein Abfall entsteht, ist das eine gute Sache und definitiv ein guter Weg, um einen nachhaltig zusammengestellten Kleiderschrank zu haben. Doch das ist leichter gesagt oder geschrieben, als getan. Die Herausforderung besteht darin, die Materialien so optimal zu nutzen, dass eben kein Verschnitt oder ähnliches entsteht. Wie kann das in der Praxis funktionieren? Meine Frage hat mir Nina Krake beantwortet. Gemeinsam mit ihrer Freundin Tabea Börner hat sie das Zero-Waste Kindermodelabel »For Schur« gegründet.
Liebe Nina, ihr verwendet für »For Schur« Wolle. Genauer gesagt: Wolle von aussortierten Wollpullovern. Wie kommt ihr eigentlich an das Material?
Als wir anfingen, nähten wir noch selbst und kauften „unsere“ Wollpullover in Second Hand Geschäften ein. Die Nachfrage war jedoch ziemlich schnell so groß, dass diese Pullover nicht mehr reichten. Außerdem produzieren wir das ganze Jahr über und im Sommer gibt es keine Wollpullover in Second Hand Läden. Wir wussten, dass man Altkleider auch in Textilsortieranlagen kaufen kann. Jedoch wird dort nicht speziell nach Material sortiert und wir mussten sehr hartnäckig sein, bis wir eine Anlage überreden konnten, speziell Pullover aus 100 Prozent Wolle oder 100 Prozent Kaschmir zu sortieren.
Zero Waste bedeutet, dass ihr die Reste, die im Zuschnitt anfallen, weiterverarbeitet. Was fertigt ihr aus diesen noch guten Resten?
Unser Anspruch ist es, nahezu nichts von diesem, für uns so wertvollen Material zu verschwenden. Daher optimieren wir unseren Zuschnitt laufend, schauen was übrig bleibt und überlegen uns, was wir mit den Resten außerdem anfangen können. Die kleinsten Schnipsel verarbeiten wir aktuell zu Handschuhen und Tragestiefelchen für Babys.
Was macht ihr mit Stoffen, die eigentlich noch gut sind, aber vielleicht einen kleinen Makel haben, etwa fleckige Stoffe?
Einige Wollpullover werden von uns gewalkt, damit wir sie zu dicken Überhosen verarbeiten können. Auch die Bündchen dieser Hosen sind aus alten Pullovern und keine Meterware. Wir brauchten eine Möglichkeit, die normalen, dehnbaren Wollstoffe zu verstärken und so kam uns die Idee, innen die Stoffe zu nehmen, die optisch nicht einwandfrei sind. Die Funktion ist natürlich noch gegeben, man möchte sie nur nicht unbedingt sehen. So sind unsere dicken, warmen und festen Wollbündchen entstanden und wir müssen noch weniger wegwerfen.
Warum habt ihr Euch überhaupt dazu entschieden, Mode für Kinder zu machen?
Tabea und ich fingen in der Elternzeit an, für unsere Kinder zu nähen. Daraus entwickelte sich sehr schnell eine große Leidenschaft. Da wir große Fans von Wollkleidung für Kinder sind, suchten wir, leider vergebens, nach passender Meterware in Öko-Qualität. Was wir fanden waren aussortierte, zum Teil löchrige Wollpullover, an denen noch ausreichend intakter Stoff dran war, um daraus Kinderkleidung zu nähen. Viel benötigt man ja schließlich nicht für die Kleinsten. Wir wurden sehr oft auf unsere Werke daraus angesprochen, auch von Fremden auf der Straße, so dass wir uns überlegten, daraus ein Businessmodell zu entwickeln. Wir wollten aber nicht unser Hobby zum Beruf machen, sondern wir wollten ein Unternehmen mit Geschichte gründen und einen Arbeitsplatz schaffen, an dem es uns und zukünftigen Mitarbeitern gut geht.
Jedes Zero Waste Label hat, so mein Eindruck, eine eigene Motivation, so zu arbeiten. Warum habt ihr Euch für diesen Weg entschieden?
Der ökologische Aspekt ist uns in unserer Arbeit besonders wichtig. Konventionelle ökologische Mode wird zum Großteil aus neu produzierten, ökologischen Stoffen hergestellt (kbT bzw. kbA). Das ist natürlich super und deutlich besser als Fast Fashion, jedoch verbraucht auch diese Herstellungsarte wertvolle Ressourcen. Wir wollten noch ein kleines bisschen mehr und verwenden daher ausschließlich bereits vorhandene Materialien. Besonders bei Wolle macht das Sinn, denn reine Wollstoffe sind von sehr hoher Qualität. Durch die Beschaffenheit der Faser sind sie absolut farbecht, sie verwaschen nicht, so wie man es zum Beispiel von Baumwollstoffen kennt. Wir bekommen teilweise Pullover, in denen „Made in West-Germany“ steht. Man kann sich also ausrechnen, wie alt diese bereits sind. Trotzdem sieht der Stoff immer noch aus wie neu und dem entsprechend stehen unsere Produkte konventioneller Neuware in nichts nach. Genau aus diesem Grund lohnt es sich, die Arbeit, die Upcycling mit sich bringt, in diese Stoffe zu stecken und ihnen ein neues Leben zu schenken.
Wie hat sich »For Schur« in den zurückliegenden Jahren entwickelt?
Wir begannen nach der Elternzeit im Herbst 2016 bei mir in der Küche den Onlineshop zu bauen und eine Kollektion zu entwickeln, im November zogen wir in ein kleines Atelier in einem kreativen Co-Working-Space und mittlerweile sind wir alleine in diesem und haben insgesamt 6 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Produktion und Kundenservice.
Ein toller Weg, den Nina und Tabea eingeschlagen haben und konsequent weitergehen. Am meisten freut mich, dass es »For Schur« gelingt, schöne Kinderkleidung mit diesen guten ökologischen Aspekten zu verbinden. Ich wünsche den beiden Gründerinnen für die weiteren Jahre mit ihrem Label viel Erfolg!
Text: Alf-Tobias Zahn
Fotos: For Schur
1 Kommentar
KommentierenGerade bei Kindermode finde ich, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema ist, weil die ja doch oft nur selten getragen wird und wer keine Geschwister hat, um die Kinderkleidung weiterzureichen, gibt sie oft nach kürzester Zeit weg.