Minimalismus ist Buzzword und Lebenseinstellung zugleich – das zeigen nicht nur die vielen Lebensbereiche, in denen Minimalismus potentiell eine Rolle spielen kann, sondern auch der teilweise inflationäre Gebrauch des Wortes in Kultur und Medien. Minimalismus ist dabei – bei allen möglichen und vorhandenen geselschaftlichen Konstruktionen (siehe hierzu mein Review zu „Einfach leben“) und Einordnungsmöglichkeiten durch Minimalismus-Theoretiker und -Praktiker – immer subjektiv. Und da es immer subjektiv ist, kann es eigentlich auch kein wirkliches „Richtig“ oder „Falsch“. Deswegen bin ich ausgehend von Michael Andre Ankermüllers Minimalismus-Challenge nicht ganz d’accord mit der indirekten Replik von Marcus Werner dazu.
Worum es geht – die gegensätzlichen Positionen zusammengefasst
Michael beschreibt in seiner Challegen sein eigenes Vorgehen anhand der 14-Tage-Routine. Diese bedeutet, dass er alle Dinge, die er innerhalb von 14 Tagen nicht in der Hand hatte, offensichtlich nicht mehr benötigt. Die einzige Ausnahme: seine Schallplatten-Sammlung. Alle Dinge, die er in diesem Zeitraum nicht benutzt, verschenkt oder verkauft er – oder wirft sie weg. Michael geht es dabei nicht im das Wegwerfen an sich, sondern um das bewusste Reduzieren von Besitz und der Möglichkeit, sich ein Stück weiter der Konsumgesellschaft zu entziehen und mehr Freiheit durch weniger Besitz zu erlangen. Für einen Travelblogger wie ihn sicherlich ein sehr nachvollziehbarer Ansatz.
Marcus‘ indirekte Antwort setzt beim Wegwerfen an. Er kritisiert den skizzierten Wegwerf-Minimalismus und hält dagegen, Dinge doch eher so lange wie möglich zu benutzen. Nur so könnten, so Marcus, die ökologischen Herstellungskosten gesenkt und der CO2-Fußabdruck auf eine möglichst große Zeitspanne verteilt werden. Marcus geht noch einen Schritt weiter und meint, dass durch das Wegwerfen alter Sachen der Tag des Neukaufs viel früher vor der Tür stünde – im Vergleich zum längeren Benutzen der geliebten Dinge.
Und nu‘? Alfs Standpunkt
Wie eingangs schon erwähnt gibt es an dieser Stelle kein „Richtig“ oder „Falsch“, kein „Schwarz“ oder „Weiß“. Minimalismus ist Definitionssache und zumeist subjektiv. Michaels „14-Tage-Challenge“ finde ich persönlich sehr spannend und herausfordernd, wüsste ich doch, dass ich viel zu viele Dinge in mein Herz geschlossen habe und behalten möchte, die ich aber definitiv nicht alle 14 Tage benutze – noch nicht einmal einmal im Jahr benutze (Reminder: Keller ausräumen!). Dennoch kann ich den Wunsch, sich von Besitz zu trennen und dadurch freier zu sein, sehr gut nachvollziehen und finde dies sehr unterstützenswert. Für mich persönlich ist es eine kleine Utopie, für viele andere aber sehr selbstverständlich.
Marcus hat, so meine Einschätzung, ebenfalls sein Herz an viele seiner Sachen verloren. An Sneaker, zum Beispiel. Gut so. Seine Schlussfolgerungen teilen ich allerdings nicht ganz, da es bei Michaels Minimalismus-Challenge um eine bewusste Auseinandersetzung mit den Dingen geht, die man wirklich besitzen möchte. Die Schlussfolgerung, der Neukauf stünde mit der Reduktion quasi schon vor der Tür, läuft hier ins Leere. Wer minimalistisch leben möchte, konsumiert nicht automatisch mehr – und benutzt die Dinge, die er wirklich braucht, sicherlich mindestens genauso lang (Stichwort „ökologischen Herstellungskosten“ und Stichwort „“CO2-Fußabdruck“) wie alle anderen, die sich nicht so gerne von Gegenständen und den damit verbundenen Erinnerungen trennen wollen.
Das Schöne dabei ist: je mehr wir uns damit auseinandersetzen, was wir eigentlich alles konsumieren und besitzen, desto eher schaffen wir es als Gesellschaft, uns vom vorherrschenden Konsumirrsinn zu lösen und uns nur noch mit Dingen zu umgeben, die uns etwas geben – für das Leben und das Glücklich-sein *utopieoff*
Text: Alf-Tobias Zahn
Foto: Death to the Stock Photo